Dienstag, 21. August 2012

Ist der Mensch zu rechtfertigen?

PLANUNG EINES SYMPOSIUMS IN MATERA FUER WINTER 2013 - in der Woche der Semesterferien.


Diese Frage wird von einem Richter gestellt.
Sie setzt einen Hintergrund von Gesetzlichkeit und Richtigkeit voraus - und sie wird abgehandelt vor einem Forum, das sich ein Urteil zu bilden versucht.
Zum ersten Mal erschien Gott vor diesem Forum, und er rechtfertigte sich vor Hiob nicht mit Vernunftsgruenden und mit einem bestimmten erkennbaren Sinn der Ereignisse, sondern mit der Unzugaenglichkeit und Unbegreiflichkeit seines Gottseins.
Wo warst du, als ich die Welt erschuf?

Dann sass das Synhedrium in Jerusalem ueber Jesus Gericht. Der rechtfertigte sich nicht eigens, d.h. er fuegte seinen Worten und Taten, die bereits oeffentlich ergangen waren, keine neuen hinzu. Auch Jesus sieht sich durch seine blosse Existenz gerechtfertigt.

Waehrend die Psalmen haeufig zwischen Gerechten und Ungerechten unterscheiden, Tobias oder Ester als Gerechte angefuehrt und darin auch von Gott bestaetigt werden, so bezieht Jesus in den Evangelien diese Differenz nicht auf die fromme Lebensweise der Menschen, sondern auf ihren Existenzbezug auf ihn selbst, der im Armen, Hungernden und Gefangenen erscheint. Jesus folgt der prophetischen Tradition, an die Sorge fuer die Armen zu mahnen, und radikalisiert sie, indem er selbst in den Armen erscheint.
In seiner Liebe zu den Armen waere der Mensch gerechtfertigt.

Bei Paulus findet sich kein Handlungskriterium, sondern reine Theozentrik: Nur Gottes Gnade kann den Menschen rechtfertigen, nicht sein Judesein und nicht seine Gesetzestreue.

Dann hat der Mensch lange versucht, den Menschen gerechtfertigt sein zu lassen durch die Taufe. Sie wuerde ihn in eine andere Ordnung stellen: Die gerechtmachende Zuwendung Christi in den Sakramenten wuerde den Menschen in seiner Selbstgerechtigkeit (Augustinus: Concubiscentia) heilen und gnadenhaft den Gottesbezug wiederherstellen.

Aber inzwischen versucht der Mensch, durch sich selbst gerechtfertigt zu werden. Durch seine Leistung, seine (partikulaeren) Erfolge, durch sein Glueck und Wohlergehen, durch den Wohlfahrtsstaat und ueberhaupt durch den stetigen Fortschritt. Ist die stetige Weiterentwicklung (Evolution), die alles in Fluss bringt, geeignet, den Menschen zu rechtfertigen? Immer der naechste Mensch den vorigen? Die Moral des naechsten Schritts?

Und, diese Frage sei mir noch gestattet: Ist der Fortschritt vor dem Menschen und ein ihm uebergeordnetes Prinzip, oder nach ihm und bloss das (blinde) Ereignis seiner Entwicklung? Das waere naemlich die Frage, ob die Rechtfertigung in der Religion zu suchen ist oder im Diesseits, also nur vorlaeufig.



Das ware der Ort des Symposiums, in einem ehemaligen Kloster, neben dem normannischen Dom, mit Ausblick ueber die ganze Stadt:

IMG_5006

IMG_5008

IMG_5003

IMG_5013

IMG_5015

Bei Interesse bitte eine kurze Meldung!

Quartiere. Zwei Immigrantengeschichten

Metaponto ist kein malerisches Staedtchen, obwohl die Ausgrabungen aus der Griechenzeit im Fuerer erwaehnt sind. Auch Pythagoras, der sich in seiner Wahlheimat Kroton eigentlich recht wohl gefuehlt hat, kam nur zwangsweise hierher in die Verbannung wegen seiner allzu engagierten politischen Einmischungen.
Mein Streifzug durch die bruetende Siedlung an einem Hundstage gab mir ein Bild von sozial weit auseinander liegenden Bevoelkerungsgruppen sowie von Afrikanern auf Fahrraedern und beim Wasserholen.
Am weiten Weg zum Ausgrabungsfeld fand ich zwischen der Siedlung und den Weinplantagen ein sudanesisches Containerdorf.
Imbrahim kommt aus Darfur - wie alle seine Freunde hier, die aber mangels Englischkenntnissen misstrauischer sind als er. Mit dem Schiff sei er nach Sizilien gekommen, erzaehlt er und zeigt mir bereitwillig seinen Pass, den er offenlichtlich immer bei sich traegt. Er waere also anerkannt hier, faende aber kaum Arbeit. Die landwirtschaftlichen Betriebe seien klein und wuerden nur zu bestimmten Zeiten tageweise ein oder zwei Erntehelfer beschaeftigen. Wasser und Quartier seien gratis, aber darueber hinaus gebe es keine Unterstuetzung vom Staat. Sie wuessten meist kaum, was sie essen sollten.

IMG_5037

IMG_5041

IMG_5042

IMG_5047


Keita Mamandoo treffe ich am Bahnhofsplatz, wo er auf denselben Bus nach Matera wartet wie ich. Er stammt aus Guinea, ist 21 Jahre alt und hat seine Mutter, einen Bruder und eine Schwester, sowie seine Frau und seine Tochter dort zurueckgelassen, um in Europa sein Glueck zu versuchen. Mit einem grossen Schiff, so betont er, sei er von Libyen nach Lampedusa gekommen und war einen Tag mit vielen anderen Fluechtlingen dort im Lager, am 29. Juli 2011. Dann waere er nach Neapel gebracht worden, und von dort mit dem Bus nach Gravina, wo er jetzt in einem kirchlich gefuerten Heim untergebracht sei. Fuer eine versprochene Pizza fuehrt er mich ueber viele Stationen in diese beschauliche Siedlung im Huegelland der Basilikata. Und das Heim ist wahrlich ein Juwel. Stolz erzaehlt mir die freundliche Dame an der Pforte, dass ihre Schuetzlinge aus Guinea, Bangladesh, Nikgeria, Ghana und Libyen kaemen, und dass sie hier mit Essen und Taschengeld versorgt wuerden und im uebrigen frei waeren.
Dann eile ich zurueck, um den letzten Zug nach Matera zu erreichen, so schnell man mit Sandalen eben gehen kann. Keita laesst es sich nicht nehmen, mich nocheinmal quer durch die Siedlung zu begleiten und darauf zu achten, dass ich den richtigen Zug nehme.

IMG_5092

IMG_5100

IMG_5101

IMG_5107

IMG_5108

IMG_5111
logo

grenzgänger

Aktuelle Beiträge

Text zu Text. Ägypten...
Der Morgen in Luxor am Hotelbalkon/ ein Haus aus der...
grenzwärtig - 24. Aug, 11:57
Tell Amarna
Die Königsresidenz des Ungeliebten. Das Beste an...
grenzwärtig - 26. Jan, 11:34
Ägypten ergangen III
In Hurghada bin ich auch geschnorchelt. Ich habe nur...
grenzwärtig - 30. Dez, 17:37
Ägypten ergangen II
Das Katharinenkloster liegt inmitten steiniger dunkler...
grenzwärtig - 24. Dez, 17:46
Ägypten ergangen I
Die Mose-Reise begann eigentlich am Busbahnhof von...
grenzwärtig - 22. Dez, 23:41

Meine Kommentare

Neuen Weblog?
Ich wollte dringend einen neuen Weblog anlegen für...
info - 24. Jun, 13:56
Achtung Geschichte
Ich moechte den werten Leser>die Leserin auf einen...
grenzwaertig1 - 31. Jul, 23:42
Hallo Schlagloch!
Der naechste Orientabend waere sicher eine gute Gelegenheit...
grenzwaertig1 - 31. Jul, 16:28
Der entgrenzte Mensch
KOMMENTAR ZUR JÜNGSTEN BIOETHIKKOMMISSIONS-ENTSCH EIDUNG...
grenzwaertig - 30. Sep, 18:59
Sehr herbstlich
und philosophisch bist du geworden! Sinnierend wie...
Gedankenbilderbuche - 30. Sep, 18:49

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Suche

 

Status

Online seit 4338 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 24. Aug, 11:57

Credits

Besucher


beobachtungen
exodus und einkehr
geschichte
Nach der Grenze tasten
reiseroute
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren