Text zu Text. Ägypten IV
Der Morgen in Luxor am Hotelbalkon/
ein Haus aus der Gründerzeit, würden wir sagen – hier heißt das: britischer Kolonialstil/
das Krähen der Hähne und das Blubbern der Wasserpfeife des Hotelmanagers auf den Stufen des Hoteleingangs unter meinem Balkon/
Zurufe von Passanten, zuweilen ein Moped/
Pferdegetrappel/
Ein leiser arabischer Gesang eines Mannes, vielleicht beim Kochen, vielleicht beim Rasieren/
Vogelzwitschern/
Ich holte mir ein Fahrrad beim Fahrradverleih. Später musste ich öfter zurückkommen, weil die Luft ausging. Ich streifte durch die Stadt, die nach dem gestrigen Fest erst langsam erwachte, pirschte mich an den Karnak-Tempel heran, gewaltigstes Monument der Pharaonenzeit, imstande, weit über unser Fassungsvermögen hinauszugehen.
Rilke staunt so: Ich ... sah, sah, sah – mein Gott, man nimmt sich zusammen, sieht mit allem Glaubenwollen beider eingestellter Augen – und doch beginnts über ihnen, reicht überall über sie fort (nur ein Gott kann ein solches Sehfeld bestellen) – da steht eine Kelchsäule, einzeln, eine überlebende, man umfasst sie nicht, so steht sie einem über das Leben hinaus, nur mit der Nacht zusammen erfasst mans irgendwie, nimmt es im Ganzen mit den Sternen, von ihnen aus wird es für eine Sekunde menschlich, menschliches Erlebnis.
Beschriebener Stein. Die Gravuren mit höfisches Szenen sind Text, sind Beschwörungen der Götter, sind priesterliche und königliche Eloquenz, sind Beredsamkeit der Erdlinge und Wüstenbewohner, die sich selbst immer aufrecht darstellen, schlank und aufgerichtet, mit Willen den Göttern entgegen. Sie schreiben sich in die Götterwelt hinein als Überredung, mit Zaubersprüchen als Ermächtigung, mit Listen ihrer rühmenswerten Heldentaten als Beschwörung der Ma’at beim Gericht, um schließlich, wenn auch mittlerweile deutlich verkleinert und scheu, von Anubis über finstere Grabwände der Götterversammlung entgegengeführt zu werden, um selbst an dieser Versammlung teilnehmen zu dürfen.
Tempel und Gräber, Textur irdischer Selbstermächtigung dem Götterjenseits entgegen/
Am Ende, bei der Rückkehr aus dem Tal der Könige mit dem Fahrrad, haben Kinder mir die Mumienfiguren und den Skarabäus aus Alabaster verkauft, und eilfertig die Figuren in Papier gewickelt, das sie aus ihren Englisch-Schulbüchern gerissen haben. Text zu Text, Wort zu Wort/
http://www.youtube.com/watch?v=SngdqX1qLQU&feature=youtu.be
ein Haus aus der Gründerzeit, würden wir sagen – hier heißt das: britischer Kolonialstil/
das Krähen der Hähne und das Blubbern der Wasserpfeife des Hotelmanagers auf den Stufen des Hoteleingangs unter meinem Balkon/
Zurufe von Passanten, zuweilen ein Moped/
Pferdegetrappel/
Ein leiser arabischer Gesang eines Mannes, vielleicht beim Kochen, vielleicht beim Rasieren/
Vogelzwitschern/
Ich holte mir ein Fahrrad beim Fahrradverleih. Später musste ich öfter zurückkommen, weil die Luft ausging. Ich streifte durch die Stadt, die nach dem gestrigen Fest erst langsam erwachte, pirschte mich an den Karnak-Tempel heran, gewaltigstes Monument der Pharaonenzeit, imstande, weit über unser Fassungsvermögen hinauszugehen.
Rilke staunt so: Ich ... sah, sah, sah – mein Gott, man nimmt sich zusammen, sieht mit allem Glaubenwollen beider eingestellter Augen – und doch beginnts über ihnen, reicht überall über sie fort (nur ein Gott kann ein solches Sehfeld bestellen) – da steht eine Kelchsäule, einzeln, eine überlebende, man umfasst sie nicht, so steht sie einem über das Leben hinaus, nur mit der Nacht zusammen erfasst mans irgendwie, nimmt es im Ganzen mit den Sternen, von ihnen aus wird es für eine Sekunde menschlich, menschliches Erlebnis.
Beschriebener Stein. Die Gravuren mit höfisches Szenen sind Text, sind Beschwörungen der Götter, sind priesterliche und königliche Eloquenz, sind Beredsamkeit der Erdlinge und Wüstenbewohner, die sich selbst immer aufrecht darstellen, schlank und aufgerichtet, mit Willen den Göttern entgegen. Sie schreiben sich in die Götterwelt hinein als Überredung, mit Zaubersprüchen als Ermächtigung, mit Listen ihrer rühmenswerten Heldentaten als Beschwörung der Ma’at beim Gericht, um schließlich, wenn auch mittlerweile deutlich verkleinert und scheu, von Anubis über finstere Grabwände der Götterversammlung entgegengeführt zu werden, um selbst an dieser Versammlung teilnehmen zu dürfen.
Tempel und Gräber, Textur irdischer Selbstermächtigung dem Götterjenseits entgegen/
Am Ende, bei der Rückkehr aus dem Tal der Könige mit dem Fahrrad, haben Kinder mir die Mumienfiguren und den Skarabäus aus Alabaster verkauft, und eilfertig die Figuren in Papier gewickelt, das sie aus ihren Englisch-Schulbüchern gerissen haben. Text zu Text, Wort zu Wort/
http://www.youtube.com/watch?v=SngdqX1qLQU&feature=youtu.be
grenzwärtig - 31. Dez, 11:18