Tell Amarna

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Die Königsresidenz des Ungeliebten.
Das Beste an Echnaton sei seine Frau. Nofretete, die Stolze, die Schöne, Mandelaugen, schlanker, hoher Hals, gelassener Blick, gerade Nase, etwas geringschätzige Mundwinkel. Der längliche Kopf und die hohe Krone bilden ein Dreieck, einen nach oben offenen Trichter.
Ihre in lebensechten Farben gehaltene Büste thront im ägyptischen Museum Berlin, geheimnisvoll beleuchtet wie ein stilles Ereignis, und beherrscht lange Gangfluren und Scharen devoter Besucher, die ihr huldigen.
Der König dagegen, abstoßend realistisch dargestellt mit Spitzbauch und breiten, weichlichen Hüften nach der von ihm selbst geschaffenen Amarnakunst, im Nationalmuseum Kairo. Überlebensgroß. Zwischen in stein gehauenen Tieren und Mumien.

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Echnatons religiöse Revolution, ein Jahrhundert vor Mose, gibt Rätsel auf. Sonnengott Aton als einziger verehrbarer Gott Ägyptens. Monolatrie, Kultzentration. Aufstand rivalisierender Priester. Die Einheit des Landes der vielen Götter in Gefahr, sobald nur mehr einer verehrt werden durfte.

Aton als Sonne, als Schöpfer, der seine Geschöpfe liebt, Pflanzen, Tiere und Menschen, und sie mit Sonnenstrahlen streichelt. Liebevolle Bilder: die Königsfamilie sonnenbeschienen. Ein wunderbarer Text: der große Aton-Hymnus, der das emsige Treiben Ägyptens besingt als Liebesgabe des Gottes bei Tag – denn die Nacht ist und bleibt Widerpart und Grenze des Gottes. Man vermerke, dass ein Jahrhundert später die Israeliten gerade in der Nacht ausbrechen aus der Sklavenschaft.

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Als ich ankam, war es noch finster.
Mit zwei oder drei anderen Fahrgästen kletterte ich um fünf Uhr früh aus dem drittklassigen Zug – ein anderer hätte hier nicht gehalten. Über eine Nilbrücke steuerte ich auf Mallawi zu. Im Neonlicht der Straßenlampen sah ich Ratten weghuschen, als ich frierend in die menschenleere Stadt hineinschritt. Der Muezzin hatte sein kurzes Gebet im Morgengrauen verrichtet – ich stieg zur Moschee hinab auf der Suche nach einem warmen Platz, aber es wurde gerade zugesperrt.
Später fand ich einen Kiosk, wo es heißen Tee gab und ein Gebäck, das bei uns „gebackene Mäuse“ geheißen hätte. Ich fragte dort nach einem Bus nach Tell Amarna, das einige Kilometer entfernt war. Im Nu stand eine Gruppe Männer da, die zu meinem Anliegen berieten. Aber niemand wusste von einem Bus. Schließlich wurde ich zum Museum geschickt. Der Polizist dort würde eine Lösung finden.
Nach dem Frühstück im Stehen kam ich also zum Museum und stellte dort mein Anliegen vor. Ich durfte die bequeme Toilette benützen und erhielt danach Hinweise auf eine bevorstehende Lösung. Und wirklich, am Vormittag fuhr in der Einfahrt des Museums ein Panzerwagen der ägyptischen Armee vor. Der Kommandant begrüßte mich freundlich und erkundigte sich nach meinen Wünschen. Ich durfte mit meinem Rucksack in den Radpanzer klettern und zwischen den uniformierten Soldaten Platz nehmen. In gebückter Haltung konnte ich aus den Bullaugen-Fenstern etwas von der Umgebung erspähen, während einer der Soldaten aufrecht aus dem Ausguck lugte und sein Gewehr präsentierte.

Schließlich fuhr der Panzer auf eine Fähre und setze über den Nil. Bald nach der Anlegestelle wurde der Eingang zum Ausgrabungsgelände erreicht. Man rief den Wärter, der offensichtlich noch geschlafen hatte, damit er mir eine Eintrittskarte verkaufe. Sodann fuhr zu meinem Erstaunen der ganze Panzer mit seiner Mannschaft in das Ausgrabungsgelände hinein. Vor einem Felsen wurde angehalten, und alles sprang herab und vertrat sich die Füße. Der Kommandant führte mich den Weg hinauf zu den Grabkammern, wo ein Wärter freundlich die Eisentüren aufschloss und das elektrische Licht einschaltete. Einige Soldaten folgten mir in die Höhle und staunten über die farbige Malerei, die den König und seine Familie unter Sonnenstrahlen zeigte. Fotos zu machen im grünen Neonlicht war fast unmöglich, aber mit dem Wärter, der sich sichtlich freute über die seltene Kundschaft, konnte ich mich unterhalten über diesen Fundort.
Zurück beim Fahrzeug, nach ausgiebiger Erkundung der Höhlen, erlebte ich die nächste Überraschung. Ich hatte mich höflich bedankt für das Geleit und schickte mich an, mein Gepäck herauszuholen. Ich würde nun gern meine Bücher studieren und zu Fuß das Gelände untersuchen und sodann nach Mallawi zurückkehren. Aber der Kommandant schüttelte den Kopf und bedeutete mir, wieder einzusteigen. Es sei zu gefährlich für mich, allein hier herumzustreifen, erläuterte er. Es gäbe keinen einzigen Menschen im Gelände außer uns und den Wärtern, entgegnete ich und beteuerte, keinerlei Angst zu haben. Aber er ließ sich auf keine weiteren Diskussionen ein und fuhr mit mir weiter. Ich durfte noch die Palastruinen sehen und durchstreifen, aber weitere Fotos zu machen war mir die Lust vergangen. Als wir wieder die Anlegestelle erreichten, machte ich einen weiteren Versuch. Es lag dort ein Restaurant mit einer großen Terrasse zum Nil, und ich stieg aus dem Fahrzeug und erklärte, dort bleiben zu wollen, um meine Bücher zu studieren. Aber was sich nun ereignete, entsetzte mich. Wie von einem unsichtbaren Kommando gerufen, erhoben sich mit einem Mal Dutzende entschlossener Männer auf ebendieser Terasse und präsentierten mir ihr Gewehr - darunter fiel mir besonders ein Rothaariger mit wilder Mine auf, der irgendetwas zu uns hergerufen hatte. Ich winkte ab und stieg wieder auf die Planken der Nilfähre, um mit meiner Eskorte zurück zu fahren.

In Mallawi nahmen sie mich mit in die Kaserne, wo ich warten musste. Als die jungen Burschen glaubten, mit mir ihren Spott treiben zu können, da wies ich einen besonders vorwitzigen scharf zurecht, in englischer Sprache, ohne zu wissen, ob er mich verstehen konnte, und hielt ihm eine längere Predigt, wie ich das kaum mit meinen eigenen Schülern könnte, und er war sichtlich beeindruckt und schwieg seither.

Der Kommandant fragte mich nun mit eisiger Höflichkeit, was ich nun vorhätte. Ich sah mich um und erblickte hinter Hausdächern einen Kirchturm. Ich deutete hin und erklärte, diese Kirche besuchen zu wollen. Zu meinem Erstaunen setzte sich nun der kleine Trupp in Bewegung und schritt durch die Gassen auf diese Kirche zu. Und sie, die gewiss Moslems waren, blieben nicht am Tor stehen, sondern trampelten mit ihren Gewehren in die Kirche hinein bis zum Altar, wo ich von einem Mesner als katholischer Priester freundlich begrüßt wurde. Er erklärte mir die Besonderheiten und führte mich zur Kapelle, die jenen Ort markierte, wo die heilige Familie sich vor der Kinderverfolgung des Herodes versteckt habe. (In Kairo habe ich bereits Kirchen gesehen, die denselben Ort für sich reklamieren) Die anschließende Führung durch die Kinderschule und die Nähwerkstatt für Frauen hätte ich mehr genossen ohne die mich überall begleitenden Soldaten. Selbst dem Bischof wurde ich vorgestellt, und zu spät begriff ich, dass ich ihm hätte den Ring küssen sollen. Als ich schließlich, neben dem Mesner am Gehsteig ausschreitend, ihn endlich von Christ zu Christ nach dem Sinn dieser ungebetenen Eskorte fragte, da wechselte er augenblicklich das Thema und sprach im selben Tonfall von der Geschichte der Kirche. Da sah ich meine Chancenlosigkeit ein und willigte ein, die Stadt mit dem Bus nach Kairo zu verlassen. Erleichtert wurde ich mit Militärfahrzeugen zur Busstation gebracht, über deren Erreichbarkeit am Stadtrand ich mir diesmal keine Gedanken machen musste, und beim Kauf des Tickets stand der Kommandant hinter mir und wich erst, als ich am nummerierten Sitzplatz im Bus saß und sich die Türen schlossen. Aus Trotz wäre ich gerne beim nächsten Halt wieder ausgestiegen, aber ich wollte ja tatsächlich die letzten Tage meiner Reise in Kairo verbringen.

Echnaton, der Einzelgänger in der Pharaonengeschichte, ist bis heute suspekt geblieben, soviel habe ich nun gesehen, und wer sich allzusehr für ihn interessiert, wird mit gebührendem Misstrauen behandelt.

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