Ägypten ergangen II

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Das Katharinenkloster liegt inmitten steiniger dunkler Berge, an dem Platz, wo das Volk Israel sein Lager hatte, während Mose auf den Berg Sinai stieg, um Gott nah zu sein. Gott gab sich ihm zu erkennen, aber die Menschen im Tal – das Geschmeiß, wie Thomas Mann sagt - tanzten um selbstgemachte Gottesbilder. Heute verehrt man im Kloster keine Stierbilder, sondern uralte Christusikonen, die in geheimen Verließen die christliche Bilderzerstörungswut des 8. und 9. Jahrhunderts überstanden hat. Der große Erfolg des Islam, der keinerlei figürliche Bilderkunst kannte, hatte die Theologen und Bischöfe wieder ans Bilderverbot des 2. Gebotes erinnert, das gerade an diesem Ort an Mose ergangen war. Heute aber sind die vielen Beduinen, die rund ums Kloster ihre Führer- und Transportdienste anbieten, allesamt Moslems und haben keinerlei Scheu weder vor den heiligen Ikonen noch vor den sie verehrenden Mönchen und Touristen.

Georgios stammt aus Griechenland, lebt aber schon seit Jahrzehnten im Katharinenkloster. Er hat auch in Wien studiert und nennt das in deutschen Worten eine schöne Zeit in seinem Leben. Er erinnert sich an Kardinal König, der Pro Oriente gründete und mehrmals im Katharinenkloster war. Schließlich zeigt er mir die berühmte Ikone des Pantokrator mit den zwei verschieden blickenden Augen, die du auf dir ruhen spürst, wo immer du dich im Raum befindest. Auch einige der uralten Handschriften des Codex Sinai sehe ich in Glasvitrinen.

Achmed bietet mir Kamele oder Ponys an, sogar ein Moped hätte er für mich organisiert. Aber er gibt zu, dass man auch zu Fuß ins Dorf hinüber gehen kann, in einer halben Stunde. Dort finde ich ein Restaurant, wo ich unter Bäumen im Schatten sitze und wählen kann zwischen Huhn und Fisch. Fisch?, stutze ich und frage nach, woher der Fisch kommt, da wir mitten in der Wüste sitzen. Aus dem Nil, erfahre ich, und bestelle doch lieber das Huhn. (Huhn isst man auch bei uns mit Fingern) Gleichviel Eindruck wie die Speisekarte hat mir die Toilette gemacht. Sie ähnelte einem Plumpsklo in unseren Breiten, nur ohne Muschel und Schacht. Also ein Häuschen mit Brettertüre, und das Klosett ist der Boden. Pass auf, wo du mit den Schlapfen hintrittst im Finstern!

Gegen Mitternacht beginne ich den Aufstieg. In der klaren Nacht kann ich den Weg mühelos erkennen, in den Fels geschlagene Stufen. Halblaut murmle ich den Rosenkranz, mit an die Situation angepassten Gesetzchen. Der Mond geht voraus. Frühmorgens bin ich oben, breite Matte und Schlafsack etwas unterhalb des Plateaus aus, und lege mich für ein paar Stunden nieder. Rufe, Getrappel wecken mich. Ein Schwarm Touristen trifft ein, von Führern dirigiert. Wie ein aufgeregter Bienenschwarm umsurren sie die sich zum Aufgehen anschickende Sonne. Die Apparate klicken. Auch ich hole meine Kamera hervor, konzentriere mich auf das fahle graublaue Zwischenlicht, das die schroffen Steinhänge entlang in die unsichtbaren Gräben sickert.
Kaum steht die Sonne am Himmel, werden die mitgebrachten Brote verdrückt, und alles sammelt sich wieder zum Abstieg. Als wäre es ein Traum gewesen, reibe ich meine Augen und bin wieder allein.

Beim Abstieg begegne ich einem Grüpplein eines jungen Tschechen und einiger Russinnen, die laut schwatzen. Sie sind zusammen mit einem Taxi von Eilat gekommen, eine abenteuerliche und staubige Fahrt. Bei der Grotte des Elias bleibe ich zurück, um allein zu sein. Elias, der einsame Streiter. Der Herausforderer. Der sich störrisch auch vor Gott verschließt. Der Gott zuerst in großen Zeichen erwartet und zuletzt im feinen Flüstern findet. Er wäre auch nicht mit den Scharen gezogen, nicht einmal mit den Russinnen.

Ins Wadi Feiranzu kommen , wo die Israeliten mit den Amalekitern zu kämpfen hatten, war schwer. Der Fahrer waren nur mehr wenige, und die Preisvorstellungen hochgeschraubt. Umso schöner war dann das Ankommen in dem frischen Obstgarten des Schwesternklosters nach den Tagen im Staub. Ich bekam ein kleines Häuschen und aß auf der Veranda. Kleine Geckos tummelten sich auf der Hauswand und im Zimmer, wir waren rasch befreundet. Ich spazierte durch den Garten und bewunderte die klugen Wassergräben, die sich leicht umleiten ließen. Zum Frühstück gab es Obst aus dem Garten – woran ich mich noch lange zurückerinnerte. Denn als ich später auf der Straße stand und nach einer Mitfahrgelegenheit nach Sharm el Sheikh suchte, spürte ich bereits die angeregte Verdauung – und dieser Zustand sollte mich noch den ganzen Weg durch die Wüste begleiten. Als ich in der Kabine eines Fernlasters saß, am Beifahrersitz, während das Söhnchen sich meinetwegen auf die Ablage dahinter zwängen musste, schwitzte ich bereits mehr durch innere als äußere Ursachen, überhaupt, da bei jeder der häufigen Unebenheiten der Straße die Kabine von der schweren Last des Anhängers hochgehoben wurde und eine Beschleunigung erfuhr, die sich sogleich in meinem Inneren fortsetzen wollte. Ich biss die Zähne zusammen und wollte durchhalten, um nicht mitten in der Wüste aussteigen zu müssen, denn hier hätte ich kaum mehr eine Mitfahrgelegenheit gefunden.

Sharm el Sheikh, dessen Namen die Ägypter so stolz aussprechen und dabei tief in der Kehle gurren, wurde ja eigentlich von den Israeli aufgebaut, als sie den Sinai besetzt hatten, und zwar als Militärstützpunkt. Dort befindet sich nun ein Hotelstädtchen für Vornehme und für Schnorchler – das sind jene, die den bunten Fischen in den Korallenriffs nachtauchen. Nach längerem habe ich eine Bambushütte gefunden im Garten eines Hotels, wo ich nun residierte. Ich wusch meine Wäsche, und als ich die paar Kleidungsstücke fertig auf die Leine gehängt hatte, war das erste im Wüstenwind bereits völlig getrocknet. Diesen Tauschschulen wollte ich mich keinesfalls anschließen, aber ich fand einen schmalen freien Strand, wo ich zwischen aberwitzig bunten Fischen umherschwimmen konnte. Allein vom Holzsteg aus sah ich mit freiem Auge Feuerfische torkeln, Seenadeln durchs Wasser schießen, dass man zweimal hinsehen musste, sah einen Rochen mit seinem elektrischen Stachel den Boden entlang gleiten, und sogar Seepferdchen wackelten bizarr und schwerelos durch den freien Raum zwischen Oberfläche und Sandgrund. Später sah ich durch die Glasscheibe in einem Ausflugsboot noch größere Exemplare dieser papageienbunten Tropenfische, die im türkiesblauen klaren Wasser zwischen Korallengärten so geflissentlich schwammen, als wäre das auf der ganzen Welt nicht anders.
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