Mittwoch, 29. August 2012

Balkangipfel und Himmelserbarmen

In einer Balkanprovinz bin ich gelandet, ein Quartier zwischen Bergen mit Namen wie Stav oder Latşur, gruen bewaldet und ein klarer See dazwischen. Ohne Karte, allein auf Geheiss des Vermieters, trete ich an in den Nachmittagsstunden, nachdem die Zeit davor den Damen des Hauses oder den Buechern gehoert haben, und der sengenden Sonne.
In Hoehen, die bei uns hochalpin waeren, in die kein Wald mehr kommt, nur scharfrandiges Gelbgras, erblicke ich erstmals Wolken - und steige weiter, bar jeder Ausruestung, ausser dem, was ich am Leib trage. Nass bin ich ja schon geworden, das halte ich aus.
Blaugrau haengt Wasser am Himmel, wie unbeweglich, doch jedesmal, wenn ich wieder aufblicke vom Weg, haben die Wolken Form und Position veraendert, ohne dass ich die Windrichtung feststellen koennte. Ein Stellungsspiel, sie ziehn herum um mich und machen sich lustig.
Ich sehe das Kreuz.
Ich kreuze die Wege der Rinder, die arglos seitlich warten, bis ich sie umstaendlich umschritten habe, und spielen und laeuten Musik wie in Sizilien die Kirchenglocken.
Eine Otter gruesst mich von unten, zwei Handspangen lang, scheu zusammengeduckt, und als ich den Weg freigebe, eilt sie davon, bis sie aus den sandigen Trittgruben endlich ins hohe Gras entkommen kann. Eine Brahmanin muss sie im frueheren Leben gewesen sein, so grazil schluepft sie durch Halme und zieht ihr Zickzackband hinter sich her.
Mich begruessen, hinter dem Huegel, die Schafe mit freundlichem Baeaeh, ich gruesse freundlich zurueck und blicke nach oben. Ich sehe, nahe dem Kreuz, eine einzelne, dreieckig zerfranste finstere Wolke in tiefem Anflug auf mich. Ich rede sie an, mache Vorschlaege, rate einzulenken, im Blick auf das nahe Kreuz. Die letzten Meter hechte ich hinauf und klopfe an den Pfosten, blicke ins finster verhangene naechste Tal und schau nochmals nach oben: da ist die Wolke verschwunden, ich schwoers. Misstrauisch stehn dort die andern im Kreis, aber wenn ein Tropfen mich trifft, so von meiner eigenen Stirn.

Im Wald, beim Abstieg, ist es dunkel geworden, aber wenn ich heraustrete, ist der Tag wieder da. Ich zaehle die Kehren, die ich heraufgestiegen, jetzt wieder zurueck, und bin beim letzten Licht, das der tiefe Himmel dem Tag noch gelassen, beim Seeufer unten. Einige Menschen, auf morschen Baenken, beim Abendgespraech. Ein erleuchtetes Fenster. Ich steige die Holzplanken hinaus auf den See und tauche ins klare Wasser hinein. Von der glatten Oberflaeche steigt Dunst, der morgen Früh Nebel sein wird, und ich schwimme mit kraeftigen Stoessen lautlos und sehe am Grund noch den Schimmer von Sand und tiefgruenen Algenarmen. Als ich die Runden gezogen und wieder ueber den Steg an das Ufer trete (dessen nassfaules Holz ich im finsteren See gerochen habe), haben die leise Redenden das Gespraech schon beendet und brechen heimwaerts auf, und ich, mit fluechtig getrocknetem Haar, hab die Schuhe in der Hand und wende mich um

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