Ich habe in den Vulkan gespuckt

Hat jemand erwartet, dass ich den Aetna nur von unten bestaune?
Die schwarzbraune Lava im Graben um die Zwingburg Friedrichs II. im Vorbeigehen betrachte,
und mich an die dunklen Fassaden Catanias gewoehne, die aus Vulkanstein gemacht sind?
Oder haette ich mich einer der so abenteuerlich beschriebenen Vulkantouren anschliessen sollen, die auf bunten Prospekten in den Hotelrezeptionen angepriesen werden?

Nun, ich fuhr mit dem Linienbus bis zur Endstation, zugleich Souveniercamp und Talstation der Seilbahn, immerhin bereits auf 2000 Hohenmetern. Und dann startete ich, mit Rucksack, ein wenig Proviant, 3 L Wasser, leichten Wanderschuhen und grosser Neugier. Entlang des breiten Lavastroms des letzten Ausbruchs. Einen Sessellift und ein paar Haeuser hatte der verschlungen.
Vulkansteigen ist wie Strandlaufen.
Jeder Schritt versinkt weich knirschend.
Zwei Schritte hinauf, einen zurueckrutschen.
Die haerteren Steine wie Kohle.
Zuerst der steilste Anstieg, der Blick nur entlang der Seilbahntrasse.
War dort bereits der Lavasee?
War ich weit genug vom Seilbahnsummen weg, hoerte ich Knallen.
Zuerst sah ich einige Bergsteiger vor mir, zwei Paare, noch einer.
Dann waren sie verschwunden.
Sie werden doch nicht vom Vulkan verschlungen worden sein, so weit noch vom Gipfel?

Als ich mich ueber graue, schwarze, roetlich schimmernde Haenge hinaufgekaempft hatte bis zur Bergstation, zuweilen gruene Kraeuterpolster auf der Seite, da stand ich eigentlich erst am Beginn, das sah ich jetzt.
In den Tross der Kraterstuermer mich einreihend, stieg ich auf der Kiesstrasse flott weiter, auf der Gelaendebusse die Sehlustigen hinaufhievten, moeglichst das Geplapper und Gesumse hinter mir lassend, auf den Saumwegen ueber Vulkangeroell schon viel langsamer.
Am markierten Endpunkt menschlicher Anstrengungen/
waren es noch 300 Meter bis zum Kraterrand.
Hoehenmeter.
In blauem Dunst.
Im Dunst versteckt.
Weisse Woelkchen von sich gebend,
Friedenszeichen oder Taeuschungen.

Ob ich den Vulkangoettern begegnet bin?
So nah an den Kraeften der Erde?
Nun, ich habe keine Praesenz bemerkt, auch nicht, als ich allein war. Naturkraefte schon, die Sonne, den Wind, die Schwerkraft, den Schwefel. Aber keine Praesenz, die mich erwartet haette.
So wie in Lampedusa das Militaer. Als ich in der Inselhitze das Fluechtlingslager umschlich und mich beobachtet waehnte. Als ich riet, ob nur Soldaten oder auch uebers Meer Gekommene hinter den Zaeunen waeren.


Und dann die Nebenkrater.
Wie Mondkrater.
Zuweilen rauchend.
Bestaunt, begafft, umschritten.
Grau, schwarz, farbig, schwefelgelb.
Und ueber allem der boeige Bergwind, der das Gesicht trocknet.
Immer ein wenig Staub in der Luft,
und Schwefel.

Erst bei den Kraterabstiegen wurden meine Schuhe voll.
Mehrmals musste ich sie ausklopfen.
Wie Strandlaufen.
Schwarzen Staub auf den Waden hab ich bis in die Stadt hinuntergebracht.

Und ich wusste beim Abstieg:
Haetten unsere gewiften Provinzpolitiker hier etwas zu reden, so wuerden sie sich nicht mit Prestigeprojekten abgeben wie Berlusconi, der Sizilien mit Italien durch eine Bruecke verbinden wollte: sie wuerden die Hochleistungsbahn mittels des Jahrhunderttunnels mitten durch den Vulkan bauen. Der Ruhm Europas waere ihnen sicher.
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